Anbei einige Erlebnisse, teils im Englischen belassen. Manches kann man einfach nicht übersetzten. Speziell die Missverständnisse sind zum Verzweifeln – und zum Totlachen.
TOASTED
Heute, 26.11, in Stellenbosch, im Food Lovers Market. Ich suche nach etwas essbaren. An der Frischtheke stoße ich auf Pizza und Brötchen und jede Menge unidentifizierbaren Zeug. Außerdem Obst und Hamburger. Der Hamburgermacher ist grottenlangsam, also wende ich mich an den Farbigen an der Theke. Vor ihm liegen verschiedene Haufen Brötchen. Mit braunem Inhalt, weißen Inhalt, und grünlichen. Ich deute auf die braun gefüllten Brötchen:
“What is this, please?”
“Toasted?”
“I asked you what this is, please?”
“Do you want it toasted?”
“I don’t know if I want it toasted, WHAT IS THIS?”
“So you want it toasted?”
Ich gebe auf, und deute auf das weiß gefüllte Brötchen.
“What is this”
“Chicken”
Aha. Wir kommen also weiter. Ich deute auf das Grüne.
“And this?”
“Chicken”
OK, nicht hilfreich. Ich ahne meine Chance und deute erneut auf das Braune.
“And this here?”
“Chicken. Toasted?”
“You are telling me these are all chicken rolls?”
“Yes. peri-peri chicken, mayo chicken and avo chicken. Toasted?”
Ich nehme verzweifelt das braune peri-peri chicken und warte 10 Minuten bis das Toasten abgeschlossen ist.
Das System wird mir schnell klar, als ich es weiter beobachte. Eine Vorstellung von Zeit hat man hier kaum. Darum wird wohl einfach solange getoastet, bis der nächste Kunde kommt, der ein Sandwich getoastet haben will. Dann wird das vorherige entnommen und das neue getoastet. Bei mir waren es 10 Minuten. Beim Herrn nach mir etwa 15 Sekunden. Die Dame danach wartet vielleicht jetzt noch auf ihr Sandwich.
ICE TEA
Am 25.11 im japanischen Restaurant in Johannesburg. Von Nick wird mir erklärt dieses griechisch geführte Restaurant sei so erfolgreich, weil die Kellner so gut ausgebildet sind. In der Tat zeigt uns unsere Kellnerin Bilder vom Essen auf einem tablet. Wir bestellen.
“One sparkling water, one ginger beer!”
“One sparkling water. But we don’t have ginger beer. Only craft beer”. Ginger Beer ist eine Limonade, kein Bier, somit wäre ihre Antwort ebenso sinnvoll gewesen wenn sie mir einen Kräutertee angeboten hätte.
“No beer then. Have you got ice tea?”
“Yes. We have homemade ice tea. On the last page.”
Ich suche. Und finde. Und verzweifele: “Is this your ice tea?” frage ich und deute auf die Zeile im Menü.
“Yes, this is our ice tea. Homemade. Very nice.”
Die Zeile im Menü liest sich “Long Island Ice Tea” und gibt das entsprechend alkoholische Rezept an. “No, I don’t want alcohol. Just ice tea. Or a lemonade”. Ich bekomme schließlich Wasser. Wir bestellen das Essen.
“Two portions of new style sashimi and one beef, please.” bestellt Nick.
“So you are having one beef, one portion of seared tuna, and one portion of salmon!” wiederholt sie falsch.
“No, one beef, and two new style sashimi”, erkläre ich.
“Ah. So you are having the beef and two new style, sir, and you are having the salmon!” gibt sie stolz zurück.
“No, one beef for me and one new style, and one new style for him”. Ich deute auf Nick.
Nach ein paar weiteren kleineren Korrekturen haben wir dann sogar ungefähr das bekommen was wir bestellt hatten.
IS THE HEATING ON?
Flug von Johannesburg nach Kapstadt. Wenig Touristen, viele Geschäftsleute. Wir stehen im Bus der uns zum Flugzeug bringt. Der füllige Mann vor mir nimmt die Mütze ab und meint “Is the heating on?”. In der Tat, draußen sind 25 Grad, im Bus sind vielleicht 30 Grad, da er wohl in der Sonne stand. Nun, da die Türen zu sind, wird es schnell wärmer. Fünf Minuten später haben wir locker 38 Grad im Bus. “The bloody heating is on!”. Einige schreien, in der Hoffnung der Busfahrer erhöre sie. Klopfen and die Scheiben. Wir kommen gut gegart am Flugzeug an. In der hier üblichen stoischen Art regt man sich schnell ab (von einem deutschen Paar mal abgesehen), und so werden sicher die nächsten Fahrgäste bald gegrillt.
RECHNUNG? ZAHLUNG?
Geld ausgeben war nie schwieriger. Man bekommt die Rechnung nicht, man bekommt die Ware nicht, man bekommt die Bankverbindung nicht, die Bankverbindung stimmt nicht, die Bankverbindung stimmt aber die Bank kann die Zahlung nicht ausführen.
Seit wir auf der Farm leben habe ich vermutlich kaum eine Rechnung gesehen, die passte. Betrag falsch ist der Standard – Mehrwertsteuer steht nicht auf der Rechnung oder dem Angebot, man soll sie aber dennoch bezahlen. Die Rechnungsanschrift stimmt eigentlich nie. Und das Wort Invoice wird auch gern vergessen, man weiß oft gar nicht dass es eine Rechnung sein soll. Besonders medizinische Labors schicken direkt ein Statement – eine Art Mahnung. Die Rechnung gibt es nur, wenn man mehrfach nachfragt. Und zwar jedes Mal.
Der Gegenstand der berechnet wird, wird meist auch vergessen zu benennen. So bekommt man zwei Rechnungen über den selben Betrag, wenn eine nicht bezahlt wird weiß man kaum ob es für Lieferung 1 oder 2 war. Bezahlt man die Lieferung 2, kommt dann auch mal der Kommentar man habe es schon bezahlt. Schließlich gibt es auf keine Rechnungsnummer als Referenz.
Dennoch will fast jeder Vorkasse. Schließlich kann der Lieferant sonst nicht bezahlen, was er liefern oder herstellen will. Oder man vergisst sonst die Rechnung zu schreiben. Das Desaster ist endlos.
Im Gegenzug glaubt der gute Südafrikaner was auf der Rechnung steht. Auch wenn es nur ein besseres Schmierpapier mit ein paar Zahlen drauf ist. “I invoice 530R” ist die kürzeste Rechnung die ich je hier bekam.
Die folgenden Geschichte macht es deutlich.
Ein Bekannter, nennen wir ihn X, fertigt unter anderem Sattel an. Pferde gibt es hier überall. Er macht eine Spezialanfertigung für einen Stammkunden. Er vergisst wer der Stammkunde ist. Offensichtlich vergisst der Stammkunde auch dass er etwas bestellt hat. X packt den Sattel ins Schaufenster.
Nun kommt ein anderer Stammkunde und braucht einen neuen Sattel. X meint der Sattel im Schaufenster sei für ihn gemacht. Der Stammkunde kauft den Sattel. Besser gesagt, er nimmt ihn mit.
Nun fällt X auf, dass er noch kein Geld bekommen hat. Er hat aber auch vergessen, an wen er nun den Sattel verkauft hat. Also schreibt X eine Rechnung an JEDEN Stammkunden den er verzeichnet hat (Etwas weniger als dreißig). Und über zwanzig Kunden haben den Sattel dann bezahlt. Das ist Südafrika!
GEBURTSURKUNDE
Kind im Krankenhaus geboren. Einfache Sache, meint man. Nicht so die Geburtsurkunde.
Wir füllen die Formulare aus. Die soll Home Affairs, die Einwanderungsbehörde, gegen eine Geburtsurkunde eintauschen. Standard, ganz einfach.
Wir erleben die folgenden Schritte:
- Wir bekommen aber unseren Antrag zurück mit dem Kommentar wir bekämen nur dann eine Geburtsurkunde, wenn wir eine Geburtsurkunde dem Antrag beilegen. Aha. Wir sollen in Stellenbosch nachfragen.
- Ich fahre zu Home Affairs Stellenbosch. Dort wo das Büro sein soll, laut Website, ist es nicht. Drei Polizisten wissen auch nicht weiter. Ich finde dennoch heraus, wo es sein soll.
- Studenten streiken, für irgendwas. Sie singen und tanzen eigentlich nur. Home Affairs ist darum nicht zugänglich. Die Straßen sind gesperrt.
- Wir rufen an. Home Affairs Stellenbosch sagt wir müssen zu Home Affairs Paarl, weil die sowas viel besser können.
- Stephan fährt dennoch zu Home Affairs Stellenbosch. Kein Streik, richtige Adresse. Wir bekommen mitgeteilt, dass wir uns zur Identifizierung mit dem Baby in die Schlange stellen sollen. Aber die Geburtsurkunde würden wir dann doch hier nicht bekommen.
- Wir nehmen Kontakt mit Home Affairs Stellenbosch. Ich muss hin, den Antrag abgeben. Nicht mehr und nicht weniger. Wurde alles in einer email bestätigt, die auch nur eine Woche benötigt hatte.
- Home Affairs Paarl, Dienstag morgen. Angestellt vor 7h, schließlich machen sie offiziell um 7.30h auf, und dann sind Hunderte Leute in der Schlange. Nicht so diesmal. Zum einen machen sie erst um 8h auf in Paarl – die Information der Regierung bezüglich 7.30h wird tolerant interpretiert. Außerdem ist der Computer offline. Seit Wochen. Darum kann kaum fast etwas bearbeitet werden. Geburtsurkunden können bearbeitet werden. Dank desses das der Computer offline ist, komme ich für südafrikanisch Verhältnisse schnell dran. Schließlich werden vor mir andauernd Leute weggeschickt, die sich für etwas angestellt haben – und teils stundenlang angereist sind – was nicht bearbeitet werden kann. Der ein oder andere wird leicht cholerisch. Insbesondere der Herr, den sie vorher schon vom Besucherparkplatz verjagt hatten mit der Erklärung dass auf dem Besucherparkplatz keine Besucher parken dürfen, sondern nur Mitarbeiter.
- Ich komme dran. Die Dame erklärt, meine Frau und das Kind würden fehlen. Ich erkläre ihr freundlich wir haben schriftlich Auskunft dass das nicht erforderlich sei. Sie will nichts davon hören. Bis die Cheffin vorbeiläuft – die eben diese email geschrieben hat. Sie und meine Sachbearbeiterin haben eine angeregte Unterhaltung in Englisch und Xhosa. Sie deutet immer wieder auf das Formular, dass die Fingerabdrücke des Kindes und der Mutter erfordert. Das Formular heißt “Antrag auf Geburtsurkunde eines Kindes 15 Jahre und älter”. Ich weise sie darauf hin, dass das Kinde erst gerade geboren wurde. Selbst für Home Affairs scheint 15 Jahre Bearbeitungszeit lang, so sollte das Kind in jedem Fall jünger als 15 sein. Sie meint sie habe aber keine Formulare für Geburtsurkunden für Babys, nur für 15 Jahre und älter. Die Cheffin klärt was sie zu tun hat. Etwas Gezanke, wir können gehen. Wir bekommen keine Empfangsbestätigung und haben auch keine Ahnung wann und wie die Urkunde erteilt wird. Nur eines wissen wir – sie wird in Pretoria/Johannesburg handgeschrieben, weil der Computer die ausländischen Passnummern nicht schreiben kann.
Wenn alles gut geht haben wir die Urkunde in ein paar Monaten…
DES EINEN SCHADEN, DES ANDEREN FREUDE
Bekannte haben ein Haus an der Küste, Nähe Cape Algulhas. Ein verträumtes Nest, kaum Kriminalität, kaum Menschen. Kaum irgendwas, außer mal Gestank von einem verwesenden Wal. Wenn es belebt ist, ist hier jedes vierte Haus bewohnt. Der Rest sind Ferienhäuser die kaum bis nie benutzt werden.
Unsere Bekannten sind überrascht. Vor der Tür liegt eine Playstation, voll ausgestattet mit Zubehör und Spielen, in einer Tüte. OK, Weihnachten ist nahe, das ist aber komisch. Selbst dem reflektionsscheuen Südafrikaner kommt es merkwürdig vor.
Sie hängen Zettel aus um herauszufinden ob jemand diese bekommen sollte “Playstation vor unserer Tür gefunden. Gehört sie Dir? Bitte melden unter…”. Niemand meldet sich.
Nachdem sie das Ding mehrere Wochen benutzt haben – zur Freude der Kinder und Freunde – meldet sich der Eigentümer. Bei ihm wurde eingebrochen, die Playstation haben die Diebe auf der Flucht vorm Wachdienst wohl fallen lassen.